Warum heisst meine Firma Bellaria?
Das Haus Bellaria an der Baldeggstrasse
Das Hochdorf der Zukunft – Wünsche der nächsten Generation: Im Rahmen einer Studie der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft haben Kantonsschülerinnen und -schüler von Hochdorf 2013 eine Vision für ein Dorfzentrum mit hoher Lebensqualität und neuen Begegnungsmöglichkeiten entwickelt. Illustration: Yvonne Rogenmoser
Die Eröffnung der Seetalbahn 1883 führte zu einer wirtschaftlichen Blüte.
Die Seetalbahn verhiess Aufschwung
Das Haus wurde 1904 erstellt, von dem aus Italien zugewanderten Baumeister-Gebrüderpaar Ferrari. Um die damalige Jahrhundertwende wurde in Hochdorf sehr viel gebaut. Das Dorf erlebte eine wirtschaftliche Blüte und verdoppelte zwischen 1900 und 1910 die Einwohnerzahl auf 3000. Grund für diese bauliche und wirtschaftliche Entwicklung war die Seetalbahn, die 1883 ihren Betrieb aufnahm. Viele neue Fabriken entstanden. Es gab ein Schauspielhaus mit 1300 Plätzen, ein Casino, und das Warenhaus «Au Louvre» öffnete seine Tore. Doch die wirtschaftliche Blüte dauerte in Hochdorf nicht lange. Die Seetalbahn kam 1909 finanziell ins Schlingern und dem Schauspielhaus ging schon vorher der Schnauf aus.
Migros: Fluch oder Segen?
Meine Grosseltern führten im Erdgeschoss der Bellaria einen «Kolonialwarenladen». Später übernahm ihn mein Vater und führte ihn mit meiner Mutter weiter. Anfang der 1960er Jahre löste die Ankündigung der Migros einen Schock aus: Sie plante, die an unser Haus angrenzende Wiese zu überbauen und eine Filiale zu eröffnen. Es war davon auszugehen, dass eine Migros in der Nachbarschaft das Ende des Kolonialwarenladens bedeutete. Doch es kam anders: Da die Migros weder Alkohol noch Tabak verkauft und zugunsten meiner inzwischen verwitweten Mutter auf einen Zeitungskiosk verzichtete, lief das Geschäft besser denn je. Die grosse Migros und der kleine Laden mit dem Kiosk ergänzten sich bestens. Die Migros brachte viel Laufkundschaft.
Mit der Zeit wurde der Migros der Verkaufsladen zu klein. Anfang der 1980er Jahre zog sie in einen Neubau am andern Ende des Dorfes. Dies war auch das Ende unseres Ladens. Ein Reisebüro zog in die Räumlichkeiten ein und übte hier bis im Herbst 2019 seine Geschäftstätigkeit aus. In der Folge stand das Ladenlokal lange Zeit leer, wie viele Lokale in Schweizer Dörfern und Städten. Heute wird der Laden von einem ortsansässigen Möbelschreiner als Showroom genutzt.
Die Migros baute eine neue Filiale am andern Ende des Dorfes.
Bellaria – aus der Perspektive des Raumplaners
EspaceSuisse, der Raumplanungsverband, für den ich früher gearbeitet habe, rät den Hauseigentümern in solchen Fällen, auf die Wohnungen zu setzen, und mit den Einnahmen aus den Wohnungen die Ladengeschosse zu finanzieren, damit diese zu günstigen Konditionen vermietet werden können. Dies funktioniert im Fall der heute nicht mehr im Besitz der Familie Bühlmann stehenden Bellaria nicht. Der Grund: Das Haus liegt an einer sehr verkehrsreichen und daher lauten Kantonsstrasse. Es hat deswegen im Verlauf der Jahre erheblich an Wert verloren, obwohl stets viel in den Unterhalt investiert wurde. Vermieten lassen sich die Wohnungen heute nur schwer und schon gar nicht zu hohen Preisen. Die Gemeinde hat lange Zeit ihre Hoffnungen in eine Umfahrungsstrasse gesetzt, um die Verkehrsprobleme zu lösen. Diese ist heute jedoch in weite Ferne gerückt, aus finanziellen Gründen und wegen des Kulturlandverlusts. Es bleiben bauliche, gestalterische und verkehrliche Massnahmen, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren und die Attraktivität des Dorfzentrums zu erhöhen.